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Frühzeitige Wechseljahre – Bianca erzählt von ihrer „Zweiten Pubertät“

Text zur Podcast-Folge 72, verfasst von Cleo Libro.


In Folge #72 hat Magdalena eine Hörerin zu Gast, die mit einem für sie sehr persönlichen und selten besprochenen Thema auf sexOlogisch zugekommen ist: Frühzeitige Wechseljahre.


Normalerweise gilt in der Medizin die Annahme, dass die Menopause bei Personen mit Uterus durchschnittlich im Alter von 47,5 Jahren beginnt und bis zu zehn Jahre lang andauern kann. Doch ca. 1% dieser Personen sind von frühzeitigen Wechseljahren betroffen. Das bedeutet, bei ihnen beginnt die Menopause bereits in einem sehr viel jüngeren Alter. Ein Phänomen, das sogar vererbt werden kann.



Gerade bei einem noch unerfüllten Kinderwunsch können frühzeitige Wechseljahre eine böse Überraschung darstellen. Allerdings kann eine verfrühte Menopause auch mit Ankündigung eintreten. Zum Beispiel als Folge der operativen Entfernung von Gebärmutter und Eierstöcken. In Biancas Fall aber gab es gar keine Anzeichen dafür, dass sie bereits mit Anfang 30 in die Wechseljahre kommen würde. Aus diesem Grund konnte sie die Veränderungen an ihrem Körper und ihrem körperlichen Empfinden, die sie über Jahre beobachtete, lange Zeit nicht einordnen.


Verschiedene Gynäkolog*innen, die Bianca in dieser Phase aufsuchte und um Rat bat, haben ihr nicht geholfen. Angesichts von Symptomen wie einem sehr unregelmäßigen Zyklus (20-90 Tage), starken Unterleibsschmerzen und hohem Blutverlust während der Periode waren sie nicht beunruhigt. Im Gegensatz zu Bianca selbst, die spürte, dass sich etwas in ihr sehr verändert hatte und nach Gründen hierfür suchte.


Typische Wechselerscheinungen treten bei Bianca auf


Mit Anfang 20 war bei Bianca eine Wucherung an der Gebärmutter entfernt worden, die damals ähnliche Symptome ausgelöst hatte. Sie vermutete daher, dass die Wucherungen eventuell wieder aufgetreten waren. Denn zum fraglichen Zeitpunkt verwendete Bianca auch kein Verhütungsmittel, auf dessen Wirkung sie die Beobachtungen hätte zurückführen können.


Als dann aber mit den Jahren weitere Symptomatiken wie Hitzewallungen, Unruhegefühle, Schlafprobleme und Libidoverlust hinzukamen, erhöhte sich Biancas Leidensdruck beträchtlich. Trotzdem dachte sie, sie würde sich die Veränderungen an sich selbst vielleicht nur einbilden. Aber auch die Partnerschaft zu Biancas Mann wurde durch ihre unberechenbaren Stimmungsschwankungen stark auf die Probe gestellt. Ebenso wie die gemeinsamen Versuche, ein zweites Kind zu bekommen, die lange erfolglos blieben.


Ihr lange unerfüllter Wunsch nach einem zweiten Kind belastete Bianca genauso wie die Tatsache, dass sie keine Kontrolle mehr über ihr Körpergewicht zu haben schien. Sie nahm viel an Gewicht zu, obwohl sie aktiv versuchte dagegen zu arbeiten. Insgesamt veränderte sich ihr Körper in Form und Empfindung derart, dass Bianca ein Gefühl der Entgleisung und des totalen Kontrollverlusts empfand. Und immer noch fühlte sie sich von medizinischer Seite weder gehört noch in ihren Symptomen ernst genommen.


Diagnose: Ungewöhnlich frühe Wechseljahre


Schließlich entdeckte Bianca eine Praxis, in der der behandelnde Gynäkologe auf Hormonschwankungen spezialisiert war und dort fühlte sie sich das erste Mal mit ihrer Problematik gut aufgehoben. Die dortig durchgeführte Ultraschalluntersuchung ihrer Eierstöcke zeigte Anzeichen dafür, dass Bianca sich bereits weit in den Wechseljahren befand. Eine nachfolgende Blutuntersuchung bestätigte dann den Verdacht. Ihr Blutbild zeigte, dass ihr Körper fast gar kein Östrogen mehr produzierte und des Weiteren bei ihr auch keine Eizellen mehr vorhanden waren.


Bianca war glücklich darüber, endlich zu wissen, was mit ihr los ist. Andererseits war sie wütend auf die vorherigen Ärzt*innen, die ihr nicht geholfen hatten, ihre Diagnose zu erhalten. Aktuell nimmt Bianca die Pille, um die Wechselbeschwerden etwas auszugleichen und ihren Hormonhaushalt zu stabilisieren. Sehr gut geht es ihr damit aber nicht, denn auch die Pille ist kein Wundermittel, das sofort in der richtigen Dosierung eingesetzt wird und alle Beschwerden ausgleichen kann.


Wenn der Körper jedoch kein Östrogen und Progesteron mehr produziert, steigt die Gefahr für Osteoporose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das ist aus Gründen der Vorsorge wichtig zu wissen, vor allem, wenn die Menopause so stark verfrüht einsetzt. Eine Hormonbehandlung wie mit der Pille kann den Körper dabei unterstützen, auf den Mangel zu reagieren. Durch die Substituierung kann der Hormonmangel ausgeglichen werden, um einen starken Abfall zu verhindern und die Wechselbeschwerden abzumildern und langsamer auszuschleichen.


Was diese Erfahrung mit Bianca gemacht hat


Die Botschaft, die Bianca von medizinischer Seite erhielt, stimmte sie traurig und frustrierte sie: „Mit den Beschwerden müssen Sie eben leben. Wir finden nichts und suchen auch nicht intensiver weiter.“ Aber auch ihre selbstwirksame Gefühlswelt wurde stark durch ihre unerwartet früh einsetzenden Wechseljahre beeinflusst. Bianca hatte ihre Weiblichkeit in großem Maße über ihre eigene Gebärfähigkeit definiert. Das wurde ihr aber erst bewusst, als die fruchtbare Phase ihres Lebens hinter ihr lag.


Leider zeigte Biancas Umfeld kaum Verständnis für ihre Trauer. Stattdessen wurden ihre Gefühle relativiert und eine frühe Menopause als „doch nichts Schlimmes“ betitelt. Trotzdem fand Bianca, dass sich ihr Zustand für sie nicht richtig anfühlte und sie deshalb sehr belastete.


Allgemein empfinden viele Menschen, bei denen die Wechselerscheinungen einsetzen, eine Art Trauer um die vergangene Lebensphase. Der Abschied vom zyklischen Lebensrhythmus mit Menstruation und Hormonschwankungen kann ein wehmütiger Abschied sein, weil der Zyklus das Leben bereits so lange begleitet hatte. Vor allem ein Abschied in so jungem Alter wie es bei Bianca der Fall ist und ohne Vorankündigung, kann möglicherweise eine vollkommen legitime längere Trauerphase nach sich ziehen.


Tipps zum Umgang mit Wechseljahren


Bianca hat es in dieser Phase geholfen mit einer Arbeitskollegin zu sprechen, die bereits ihre Wechseljahre hinter sich hatte. Das brachte bei ihr einen Prozess der Akzeptanz ihrer eigenen Lage in Gang. Auch das Gefühl von jemandem tatsächlich verstanden zu werden, weil die Symptome und Erfahrungen der beiden Frauen ähnlich waren, wirkte heilsam auf Bianca. Außerdem berichtete ihre Kollegin, dass sich alles besser anfühlen würde als vorher, wenn der Wechsel erst einmal vorbei sei. Die große Entspannung, die dadurch in ihr Leben treten würde, ist etwas, auf das Bianca sich heute schon freuen kann.


Auch jetzt schon hat sich vieles bei ihr wieder eingependelt. Beispielsweise kam ihre Libido bereits zurück und die Hitzewallungen und Schlafstörungen gehören der Vergangenheit an. Auch die Steuerung ihres Körpers im Sinne der Gewichtszunahme oder -abnahme gelingt Bianca heute wieder, was ihr das Gefühl von Selbstkontrolle zurückgab, das sie so vermisst hatte.


Von ihrem Umfeld hätte sie sich mehr Verständnis für ihre Situation und keine relativierenden Aussagen gewünscht. Genauso wie sie sich nach mehr Unterstützung von professionell-medizinischer Seite gesehnt hat. Allgemein hofft sie auf eine breitere und wertfreie Kommunikation über die Wechseljahre, egal ob verfrüht oder nicht.


Biancas Message an die sexOlogisch Community


Jeder Mensch sollte auf das eigene Körpergefühl hören. Wenn ihr das Gefühl habt, mit eurem Körper stimmt etwas nicht, dann lasst euch nicht von Expert*innen einreden, ihr würdet euch das nur einbilden. Eine gute Fähigkeit sich selbst zu spüren, ist genauso viel wert wie eine medizinische Diagnose.


Außerdem: Habt das Thema frühzeitige Wechseljahre auf dem Schirm! Im Hinblick auf die eigene Psyche und einen eventuell noch unerfüllten Kinderwunsch kann es viel Leid verhindern, wenn sich früh genug bewusst mit dem Thema auseinandergesetzt wird. Und sobald es soweit ist, gebt euch Zeit, die Veränderungen in euch selbst zu integrieren. Die Wechseljahre sind wie eine zweite Pubertät. Da braucht es Zeit und viel Verständnis für die eigene neue Situation.


Bianca findet dem „meine Eierstöcke sind verkümmert“ sollte ein selbstbestimmtes „mein Körper ist in eine andere Lebensphase eingetreten und jetzt wird alles entspannter“ entgegensetzt werden. Wie ein Garten, der nicht verdorrt, sondern im natürlichen Lauf der Natur in eine andere Jahreszeit übergeht.

 

Über Cleo Libro

Im Frühling 2018 kam Cleo zur Welt, als ich mir diesen Namen gab, um zum ersten Mal in einem Podcast über meine offene Beziehung zu sprechen. Mit den Jahren gesellten sich weitere Themen zu meinem regelmäßigen Tabu-Kaffeeklatsch: Weibliche Sexualität, Dating, Masturbation, Konsens und weiteres aus dem Bereich „Lust und Frust einer promisken Frau.“

Seit Januar 2021 existiert mein Blog Cleographie, wo ich meine in Schrift gefassten Gedanken und Erfahrungen zu Non-Monogamy, Zwischenmenschlichkeit und Feminismen veröffentliche. Eine Bauchidee, die stetig zu einem Herzprojekt heranwuchs, weil sie meine Begeisterung für Sprache, Schriftmedien und Sexualität vereint.

Kommunizieren komplettiert mich. Neues lernen fasziniert mich. Schreiben ist mein Versuch etwas von dieser Energie weiterzugeben.

Insta: @cleo.libro


Beschreibe dich in 3 Worten: mitteilsam, mitfühlend, mitreißend


Worin bist du besonders gut: Genießen und mich für etwas begeistern


Was sind deine absoluten Herzensthemen: Alternative Beziehungskonzepte, Kommunikation, Selbstbestimmung und generell alles Zwischenmenschliche oder Sexuelle, das tabuisiert wird.


Welche Kondomsorte wärst du und warum?

Ich wäre ein Kondom von Releaf, weil es super nice riecht/schmeckt, angenehme Haptik und Feuchtigkeit hat und für meine Anwendung ein neuer Baum gepflanzt würde. Außerdem hätte mein Hersteller dann einen guten Humor: Ich sag nur, „Forst pflanzen anstatt fortpflanzen“, hihi.

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