Ein Text von Tanja Block
Triggerwarnung: Dieser Blogpost behandelt verschiedene Aspekte sexualisierter Gewalt. Bitte lies den Beitrag nur, wenn du dich dazu in der Lage fühlst.
Kennst du schon die FOLGE 16 des sexOlogisch Podcasts zum Thema „Sexualisierte Gewalt“? Im heutigen Blogpost erfährst du, ob die Folge für dich interessant sein könnte, warum wir dringend über dieses unangenehme Thema sprechen müssen und weshalb das gar nicht so einfach ist. Los geht’s!
In unserem Alltag sind wir umgeben von Sex – von Idealbildern, Werbeanzeigen und Sexshops. Und doch fällt es vielen Menschen schwer ehrlich über unbeschönigten, realistischen – eben ganz normalen Sex zu sprechen. Diese Hürde wird noch viel höher, manchmal scheinbar unüberwindbar, wenn es um übergriffiges Verhalten geht. Kommt es zu ungewollten sexualisierten Handlungen, wird das Sprechen darüber durch die eigene Scham, aber auch durch den Umgang unserer Gesellschaft mit dem Thema deutlich erschwert. Doch wie sollen wir etwas verstehen, wie sollen wir es überhaupt erkennen, wenn wir so wenig darüber wissen? Ab wann ist etwas sexualisierte Gewalt? Sind davon nicht nur Mädchen und Frauen betroffen? Trage ich eine Mitschuld, wenn ich vielleicht nicht klar genug „nein“ gesagt habe?
Eines sei an dieser Stelle schon klargestellt: Obwohl viel zu oft erst auf die betroffene Person geblickt wird (Welche Kleidung trug sie? War sie betrunken? Wollte sie es nicht auch?), trägt sie NIEMALS selbst schuld! Wer sexuelle Handlungen vornimmt, muss sich vergewissern, ob sein oder ihr Gegenüber Lust darauf hat und – auch das ist ganz wichtig – ob die Person überhaupt in der Lage ist, ihre Zustimmung zu geben.
Doch lass uns ganz vorne beginnen.
Was bedeutet „sexualisierte Gewalt“ überhaupt?
Es gibt mehrere Begriffe, um über sexualisierte Gewalt zu sprechen. Sicher kennst du einige davon bereits:
Sexuelle Gewalt
Obwohl sich die Begriffe „sexuelle Gewalt“ und „sexualisierte Gewalt“ auf den ersten Blick sehr ähneln, gibt es doch einige Unterschiede: Ersteres legt nahe, dass es sich um körperliche Gewalt handelt. Sexualisierte Gewalt kann aber auch auf einer psychischen Ebene stattfinden. Zudem ist der Auslöser dieser Gewalt nur sehr selten tatsächlich sexuelles Verlangen oder Lust. Es geht viel eher um das Ausüben von Macht. Im Mittelpunkt steht also die Gewalt, die erst durch diese bestimmte Art ihrer Umsetzung sexualisiert wird.
Missbrauch
Dieser weit verbreitete Begriff enthält das Verb „gebrauchen“. Missbrauchen würde demnach bedeuten, etwas falsch benutzt zu haben. Doch Menschen gebraucht man nicht. Daher lehnen wir den Ausdruck in diesem Kontext ab – obwohl er in Österreich ein juristischer Begriff für sexualisierte Gewalt ist.
Vergewaltigung
Bei einer Vergewaltigung denken viele Menschen direkt an penetrativen Sex. Aber sexualisierte Gewalt beginnt schon früher.
Nun haben wir die Basis um über das heutige Thema zu sprechen. Einige sehr wichtige Fragen sind trotzdem noch offen…
Wo beginnt sexualisierte Gewalt?
Im Podcast findest du drei Beispiele aus Alltagssituationen, um herauszufinden wie du selbst sie einschätzen würdest. Ist das beschriebene Szenario bereits sexualisierte Gewalt oder nicht? Sind manche übergriffigen Geschehnisse vielleicht sogar ganz normal? Hör doch gleich mal rein um etwas mehr über deine eigene Einstellung herauszufinden!
Vielleicht magst du ja auch mit Freund*innen darüber sprechen. Das kann super spannend sein, denn was wir als unproblematisch empfinden, hängt mit unseren individuellen Erfahrungen zusammen: Was wurde uns in unserer Kindheit vorgelebt? Haben wir gelernt Grenzen klar zu benennen oder stellen wir unsere eigenen Bedürfnisse auch mal aus Höflichkeit hinten an? Stören uns bestimmte Situationen – wie körperliche Nähe – vielleicht mehr als andere? Bei diesem Austausch soll es nicht darum gehen deine eigenen Sichtweisen zu ändern. Du selbst entscheidest, was sich für dich richtig anfühlt und ab wann diese Schwelle überschritten wird. Das kann sogar von Tag zu Tag variieren und das ist vollkommen in Ordnung. Es geht vielmehr darum über sexualisierte Gewalt ins Gespräch zu kommen.
Warum und wie sollten wir über sexualisierte Gewalt sprechen?
Wie wichtig es ist ein Bewusstsein für die Thematik zu schaffen und sie uns vor Augen zu führen, zeigen u.a. mehrere Statistiken mit wirklich erschütternden Zahlen:
Bei einer Befragung gaben z.B. 42% der Teilnehmer*innen an schon einmal ohne ihre Einwilligung während eines sexuellen Kontakts geschlagen, gewürgt oder bespuckt worden zu sein. Das zeigt, dass für viele Menschen Sex und Gewalt sehr nah beieinander liegen. In Deutschland erfährt übrigens jede zweite Frau ab ihrem 16. Lebensjahr Gewalt – in den meisten Fällen von Täter*innen aus ihrem Bekannten- oder Verwandtenkreis. Doch auch (oder gerade) wenn der Täter bzw. die Täterin bekannt ist, werden nur etwa 15% aller Fälle angezeigt.
Wo wir gerade von Gewalt an Frauen und Mädchen sprechen: Jungen, Männern und nicht-binären Personen wird ebenfalls sexualisierte Gewalt angetan. Und auch Frauen können Täterinnen sein. Gerade bei sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen kommt das leider immer häufiger vor. Aufgrund gesellschaftlicher Stereotype (z.B. „Männer sind stark und können sich wehren.“ „Frauen sind seltener gewalttätig.“) wird es Betroffenen, die nicht dem typischen Schema von weiblichem Opfer und männlichem Täter entsprechen, noch einmal erschwert über das Erlebte zu reden und Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dabei muss für diesen Schritt ohnehin schon viel Mut aufgebracht und Gefühle wie Scham (zumindest für einen Moment) überwunden werden. Lass uns daher auch diese selten thematisierten Fälle sexualisierter Gewalt ansprechen, um Betroffene sichtbar zu machen und ihnen zu zeigen, dass sie damit nicht alleine sind.
Solltest du selbst von sexualisierter Gewalt betroffen sein, findest du am Ende der Podcast-Folge und im sexOlogisch Instagram-Posting „Hilfe für Betroffene“ eine Auswahl von Nummern und Anlaufstellen für den Notfall. Dort triffst du auf geschultes und erfahrenes Personal, das weiß was zu tun ist und mit welchen gut überlegten Schritten dir geholfen werden kann. Was dir angetan wurde, ist nicht deine Schuld. Und egal ob es sich um physische oder psychische Gewalt handelt – auch wenn du oder andere dir einzureden versuchen, dass es doch sicher gar nicht so schlimm war: Du darfst Hilfe in Anspruch nehmen!
Welche Themen dich außerdem in der Podcast FOLGE 16 erwarten:
- Was passiert, wenn Anzeige erstattet wird?
- Wie gehen Medien mit sexualisierter Gewalt um?
- Hat uns die #metoo-Bewegung weitergebracht?
- Beispiele aus der Praxis und weitere Zahlen, Daten und Fakten
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