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Sex als Beruf - Sexualpädagog*innen unter sich #Folge19

Text zur Podcast-Folge 19 des sexOlogisch Podcast, verfasst von Corinne Hennico


Vorstellung von Julia und Ausbildungsmöglichkeiten


In dieser Folge unterhält sich Magdalena (Sie/Ihr) mit Julia (Sie/Ihr) von Lustfaktor. Julia arbeitet als Sexualpädagogin mit dem Schwerpunkt: “Paare und Sexualität”. Des Weiteren ist sie zum Zeitpunkt der Aufnahme des Podcasts mit dem Abschluss ihrer Ausbildung als Sexual- und Paartherapeutin beschäftigt. Auch online steckt sie viel Leidenschaft und Arbeit in die sexuelle Aufklärung.


Nun fragt ihr euch vielleicht, wo man solch eine Ausbildung überhaupt abschließen kann. In Österreich legt Magdalena euch hierzu die Ausbildung beim ISP in Wien ans Herzen. Eine andere Ausbildungsmöglichkeit in Österreich findet ihr auch in Innsbruck, in Kooperation mit der Sigmund Freud Universität. Außerdem gibt es ab Herbst 2021 die Möglichkeit sich auch bei Magdalena selbst in Kooperation mit dem Verein PIA in Linz als Sexualpädagog*in ausbilden zu lassen. In Deutschland kann Julia euch die GSP empfehlen. Es gibt weiters sehr viele unabhängige Anbieter, wie etwa BikoBerlin oder die Praxis für Sexualität. Falls ihr Interesse habt, schaut euch unbedingt unterschiedliche Anbieter an um zu ertasten was zu euch passt!



Arbeitet man als Sexualpägagog*in ausschließlich in Schulen?


Ja, ein guter Teil der Arbeit spielt sich in Schulen ab. Aber, die Arbeit kann auch in sehr vielen anderen Kontexten stattfinden. Julia arbeitet beispielsweise mit einer großen Vielfalt an Zielgruppen, von der Kita bis hin zur Sexualität im Alter. Genau diese Diversität empfindet Julia als besonders spannend! An dieser Stelle eine Anmerkung: Nein, Sexualität ist mit 60 Jahren NICHT vorbei! Klar, Sexualität ist im ständigen Wandel. Somit sieht Sexualität im Alter sicherlich anders aus als Sexualität in der Jugend. Es ist jedoch wichtig diese Unterschiede nicht zu bewerten, da jede dieser Phasen wertvoll ist. So lasst uns das nächste Mal bitte nicht mit Ekel reagieren, wenn unsere Großeltern nach unserem Geschmack ein wenig zu viel teilen! Wir alle verdienen es unsere Sexualität auszudrücken und teilen zu dürfen.


Sexualität als Tor zu uns selbst


Bei der Arbeit als Sexualpädagog*in wird sichtbar: Sexualität stellt einen Zugang zu anderen Lebensthemen dar. Hierbei sieht man klare Zusammenhänge mit der Biografie, Bedürfnissen und Emotionen. Beispielsweise fällt es manchen Menschen leichter über Sexualität zu sprechen, als über die eigenen Bedürfnisse. Hier kann man dann mit dem Thema Sexualität beratend weiter greifen. Über den (Um)weg der Sexualität können wir manch andere Lebensbereiche besser verstehen und eventuell sogar verarbeiten. Dies bedeutet auch, dass eine stärkere Zusammenarbeit und Austausch zwischen Therapeuten und Sexualpädagog*innen/Berater*innen sehr viel Mehrwert bringen kann.


Was muss ich nun können um Sexualpädagog*in oder Berater*in zu werden?


Hier solltet ihr euch erst überlegen, wo ihr überhaupt hin möchtet. Welches Ziel habt ihr vor Augen? Sind das eher Aufklärungsaufträge in Schulen oder möchtet doch eher beratende Einzelgespräche führen? Die folgenden Abschnitte beschäftigen sich mit Fähigkeiten die für beide Zukunftsmöglichkeiten eine gute Voraussetzung sind. Behaltet jedoch im Hinterkopf, dass man sich auch gerade während der Zeit der Ausbildung viel weiterentwickelt und an diesen Fähigkeiten arbeitet!


Offenheit

Ein wichtiger Punkt ist es, dass ihr dazu bereit seid, eure eigene Sexualität zu reflektieren. Anderenfalls passiert es sehr schnell, dass man unbewusste Glaubenssätze auf Klient*innen projiziert. Eine daraus folgende wichtige Kompetenz ist Offenheit. So sollte man nicht urteilend gegenüber dem Unbekannten sein. Natürlich fühlt man sich auch in der Sexualität in dem gewohnten Bereich oftmals sehr wohl. In der Tätigkeit von Sexualpädagog*innen und Berater*innen ist es jedoch unglaublich belangreich, Interesse an der Vielfalt unserer Erfahrungen und Eigenschaften als Menschen haben.


Reflexionsfähigkeit

Eine gute Reflexionsfähigkeit wird euch helfen, euch von der Arbeit auf gesunde Art und Weise abgrenzen zu können. Reflexion verstärkt nämlich das Bewusstsein für Themen die einem persönlich nahe gehen und welchen Umgang man damit pflegen möchte. Jede Beratungssitzung tut was mit euch selbst. Somit trägt man als Sexualpädagog*in nicht nur Verantwortung für das Wohlbefinden des Gegenübers, sondern auch für sich selbst. Wenn ihr es also nicht ausstehen könnt euch mit euren eigenen Gefühlen zu beschäftigen, solltet ihr eventuell nach anderen Richtung Ausschau halten. Das klingt vielleicht hart, jedoch sind die Konsequenzen einfach zu gefährlich, wenn die Arbeit von Menschen ausgeführt wird, die Reflexion um jeden Preis vermeiden. Es ist sogar so, dass man für viele Ausbildungen in diesem Bereich selbst zur Therapie geht, um die eigenen Trigger kennenzulernen.


Wille zur ständigen Weiterbildung

Wie in der Natur ist auch die Sexualität und unser Wissen darüber stets im Wandel. Deshalb ist der Wille sich ständig weiterzubilden unausweichlich. Dies ist hier regelrecht als Teil des Jobs zu sehen. Eine Motivation und Passion für die Richtung, die ihr einschlagen möchtet, ist hier also ein klarer Vorteil! Es wird euch leichter fallen, die nie-endende Weiterbildung und Wissensaneignung genießen zu können.


Menschenkenntnis

Eine weitere wichtige Kompetenz ist die Fähigkeit präsent zu sein um zu erspüren was in der Gruppe passiert. Auf die Bedürfnisse und Gefühle der Gruppe muss man oftmals spontan reagieren und dazu passende Themen besprechen. Das heißt in der Praxis beispielsweise, nur auf die Themen auch wirklich einzugehen, für die Nachfrage und Gesprächsbedarf in der Gruppe besteht. Davon abweichende Themen sollten dann meist nur kurz angeschnitten werden. Rattert also bitte nicht eine halbe Stunde euer ausgiebiges Wissen über Pornografie runter, wenn die Gruppe darüber nicht reden möchte!


Sexuelle Bildung online - Geht das überhaupt?


Julia und Magdalena gesichtet - der Beweis!


Beide sind einen großen Teil ihrer Arbeitszeit (ehrenamtlich) online tätig.


Julia hat auf ihrem privaten Instagram-Account begonnen ihre Arbeit zu dokumentieren und Umfragen zu erstellen. Als Reaktion auf die bemerkenswerte Resonanz und Vielzahl an Fragen, entschied Julia ihren Account öffentlich zu machen. Darauf folgte ein längerer Prozess der Entwicklung, der zu dem heutigen Account Lustfaktor führte. Die Kanäle von Julia und Magdalena sind beide im ständigen Wandel, was auch ihre innere Entwicklung widerspiegelt. Denn auch Magdalena gestaltet ihre Arbeit zu einem großen Teil online. Können wir ihr an dieser Stelle mal eben für über 10 000 Follower*innen gratulieren? Auf Instagram teilt Magdalena unglaublich wichtige Gedanken und betreibt Aufklärungsarbeit. Sehr oft kommt es auch zu spannenden Umfragen in ihren Storys!


Die Online-Arbeit ist ausgesprochen förderlich, da man damit so viele Menschen erreichen kann. Allerdings ist es auch sehr zeitaufwendige Arbeit! Hier fließen für Viele locker mehrere Stunden am Tag ein. Solltet ihr gerne eine Online-Plattform aufbauen, achtet unbedingt auf Effizienz und diese Arbeit so zu gestalten, dass ihr Energie daraus ziehen könnt. Hier wäre es toll, wenn der Staat diese niederschwellige Aufklärung finanzieren würde und das Bedürfnis nach Aufklärung somit noch besser erfüllt werden könnte!


Die Online-Arbeit ist leider natürlich auch immer eine ungewünschte Einladung für Kritik. Hier kommen vor allem bei kontroversen Themen sehr viele Nachrichten. Es kann helfen sich auf die zahlreichen positiven Reaktionen zu fokussieren und eventuell aus gut gemeinten Ratschlägen zu lernen. Per se ist es unglaublich wichtig, das Gespräch mit sich unterscheidenden Meinungen zu führen. Jedoch sollte man nicht vergessen klare Grenzen zu ziehen und diese Gespräche nur aufzusuchen, wenn man persönlich die Ressourcen dafür hat.


Lasst uns gemeinsam probieren Veränderungen Raum und Zeit zu geben. Desto toleranter wir gegenüber Fehlern reagieren, desto offener wird unser Gegenüber für Verbesserungsvorschläge sein. Voneinander zu lernen ist toll. Jedoch nur, wenn wir einen respekt- und verständnisvollen Umgang pflegen. Hier gilt es zusätzlich zwischen Gesellschaft und Individuum zu unterscheiden. Was ich damit meine? In der Gesellschaft braucht es Wandel und eine Aufweichung von Grenzen. Dies ist jedoch leider ein unglaublich langsamer Prozess. In der Beratung macht es jedoch auf individueller Ebene recht wenig Sinn, um über gesellschaftliche Themen zu sprechen. In diesem Kontext sollte die Person und ihre Individualität im Fokus sein.


Zusammenfassend gilt, dass wir alle stetig dazulernen und uns dabei auf positive und respektvolle Art und Weise unterstützen sollten.


Gespräch mit dem Flaschengeist


Julia, wenn du dir alles wünschen könntest, was würdest du dir für die Entwicklung von Lustfaktor und auch allgemein für die sexuelle Bildung in der Gesellschaft wünschen?


Julia wünscht sich eine Art Zentrum für ein niederschwelliges Angebot rund um Themen wie Sexualität, Beziehungen und vieles mehr. Jeder Mensch sollte hier Zugriff auf einen bunten Mix zwischen Gesprächen, Fachvorträgen und Workshops haben. Ihr Traum ist es, dass alle Menschen hier erfahren dürfen, wie wichtig Aufklärung und Sexualität ist. In den Schulen wünscht sich Julia mehr sexuelle Aufklärung innerhalb der Klassen. Dafür sollten Schüler*innen die Möglichkeit haben sich weiterzubilden und ihr Wissen über Sexualität an andere Schüler*innen weiterzugeben.


Für mehr Informationen hört euch doch gerne die Podcastfolge 19 “Sex als Beruf - Sexualpädagog*innen unter sich” an.


Vielen Dank an Magdalena und Julia für eure wundervolle Arbeit!

 

Über Corinne Hennico


Corinne (Sie/Ihr) ist Masterstudentin in Psychologie und klärt auf Instagram über queere Themen auf (@queerholisticpsychologist). Aufgewachsen ist sie in Luxemburg, zurzeit lebt sie mit ihrem Partner Marleen (They/Them) in den Niederlanden in einem Camper. Gemeinsam setzen sie sich für Aufklärung in Bezug auf queere Themen, Gender, Körpernormen, Umwelt und Autismus (@actuallyautisticalien) ein. Nebenbei ist Corinne als Fotografin tätig um sich ihre eigene kleine ideale Welt zu gestalten (https://www.livphotography.net/Website ist erst im Aufbau).


Ich bin gut darin mit Fotografie und Poesie Momente festzuhalten.


Meine Herzensthemen sind die Natur, Vögel, und Equity. Zurzeit habe ich ein spezielles Interesse für Tiny Houses. Wenn ich ein "Kondom" wäre, wäre ich ein veganes Dental Dam mit Käsegeschmack, wenn bei uns Veganern die Lust auf Käse hochkommt!


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