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Mein Leben mit Endometriose

Der Text zur Podcast-Folge 11 „Mein Leben mit Endometriose“ - der verfasste Text stammt von Carolina Suárez


In Folge elf des Podcasts sexOlogisch spricht Magdalena mit Michaela, die seit 2015 mit der Diagnose Endometriose lebt.

Der Weg dahin, war allerdings kein leichter. Michaela menstruiert seit sie zehn Jahre alt ist; bis zu ihrer Diagnose sollte es weitere 16 Jahre dauern.


Die heute 32-jährige erzählt, dass sie schon immer starke Beschwerden während ihrer Periode hatte. Im Erwachsenenalter beschloss sie, dass es so nicht weitergehen könne und begann zu recherchieren. Sie suchte mehrere Ärzt*innen auf, bis sie im Alter von 26 im Zuge einer laparoskopischen Untersuchung letztendlich mit Endometriose diagnostiziert wurde.


Aber was ist Endometriose eigentlich?

Als Endometriose wird eine Krankheit verstanden, bei der sich gebärmutterähnliche

Schleimhaut an unterschiedlichen Stellen im Körper verbreitet. Meistens beschränkt sich die Endometriose auf den Bauchraum, sie kann aber auch Organe wie die Lunge oder die Leber betreffen. Dadurch, dass sich diese „zusätzliche“ Schleimhaut an Gewebe festsetzt, wo sie eigentlich nicht hingehört, entstehen Entzündungen, da der Körper gegen das ihm fremde Gewebe ankämpft. Das kann sehr schmerzhaft sein. Hinzu kommt, dass bei jeder regulären Menstruation alle betroffenen Stellen (auch „Herde“ genannt) mitbluten und dabei die gleichen Symptome wie die eigentliche Gebärmutter aufweisen.


Dadurch, dass jeder Körper unterschiedlich ist und unterschiedlich auf die Schleimhaut

reagiert, kann Endometriose einen sehr individuellen Krankheitsverlauf aufweisen. Je

nachdem, wo sich das schleimhautartige Gewebe ansetzt und wie das befallene Gewebe

reagiert können sehr milde Verläufe äußerst schmerzhaft sein und umgekehrt sehr starke

Verläufe mit nur wenig Symptomen einhergehen.


Von Endometriose betroffen können nur Menschen mit Gebärmutter sein. Ob das ein Grund dafür ist, dass bislang nur vergleichsweise wenig in dem Gebiet geforscht wurde sei dahingestellt. Fest steht, dass ungefähr 10-15 Prozent aller Frauen* im gebärfähigen Alter betroffen sind. Die Dunkelziffer ist hoch. Da der eigene Körper und die Sexualität nach wie vor mit viel Scham verbunden sind, diagnostizieren sich, laut Michaela, sehr viele Betroffene zunächst einmal selbst. Sie sprechen mit Ärzt*innen nicht, oder nur unzureichend, über ihre Symptome, weil sie sich für ihren Körper schämen. Die Meinung der Allgemeinheit wonach Schmerzen während der Periode normal sind und man diese als menstruierende Person eben aushalten muss, wirken auf viele zusätzlich abschreckend.


Endometriose, bzw. die damit verbundenen Beschwerden, sind sehr anstrengend im Alltag und schränken die Lebensqualität vieler Betroffener stark ein. Zentral sind die Schmerzen: Wie Michaela leiden die meisten erkrankten an Krämpfen vor und während der Periode, sowie an Übelkeit, Verstopfung oder Durchfall, Rückenschmerzen, Müdigkeit und Erschöpfung. Die Anzahl und Intensität der einzelnen Symptome unterscheiden sich von Person zu Person. Auch Kopfschmerzen und Blähbäuche sind keine Seltenheit. Letzteres ist Betroffenen manchmal besonders unangenehm, weil es die Symptome nach außen zeigt.


Ist Endometriose heilbar?

Zum jetzigen Zeitpunkt Nein. Es gibt die Möglichkeit einer Operation, um die Herde zu

entfernen, diese können jedoch immer wieder zurückkehren.

Dadurch, dass das Krankheitsbild so stark variiert, variieren auch die Behandlungen. Laut

Michaela ist die bislang häufigste Therapieform nach wie vor bedauerlicherweise die

Einnahme der Anti-Baby-Pille. Aus ihrer Arbeit mit Erkrankten erzählt Michaela, dass zum Teil auch sehr jungen Frauen*, teilweise eine Schwangerschaft empfohlen wird, um

Symptomlinderung zu erlangen. Oft wird Frauen* vor der offiziellen Diagnose mitgeteilt ihre Symptome seien psychisch. Als Grund dafür kann man über das fehlende Wissen vieler praktizierender Ärzt*innen über das Thema spekulieren.


Leben mit Endometriose- Organisation EVA

Die Diagnose bedeutet für die meisten zunächst Erleichterung. Das „große Unbekannte“, wie Michaela es formuliert, hat endlich einen Namen. Um mit den Symptomen besser zurecht zu kommen ist Entspannung essentiell. Yoga helfe demnach, oder auch Physiotherapie und intensive Dehnung. Anspannung führt zu Verkrampfen, was den verlauf tendenziell verschlimmert. Ernährung, körperliche Betätigung, lernen Grenzen zu setzen und wie der Körper funktioniert verschafft Betroffenen oftmals Sicherheit und Linderung. Michaela engagiert sich bei dem Selbsthilfeverein EVA (Endometriose Vereinigung Austria)


Dieser möchte Endometriose bekannter machen, Informationen weitergeben, sowie

Betroffene und Ärzt*innen bei der Behandlung unterstützen. Besonders hilfreich ist dabei ein eigens entwickelter Gesprächsleitfaden für praktizierende Mediziner*innen.

Ursprünglich nur in Wien, mittlerweile auch in Oberösterreich bietet die EVA

Vernetzungstreffen an. Michaela engagiert sich im Vorstand. Sie hat durch die EVA viel

gelernt und einen Weg aus ihrer Hilflosigkeit gefunden. Auch frisch Diagnostizierte können sich bei der EVA melden.


EVA sei für viele eine große Hilfe, da sie aufzeigt, dass Erkrankte mit ihren Problemen nicht alleine sind. Der Verein bietet einen geschützen Rahmen, um sich mit anderen auszutauschen und einander zu unterstützen. Fehlende finanzielle Mittel und Scham führen oft dazu, dass Betroffene sich nicht vernetzen. Die EVA möchte dem aktiv entgegenwirken.


Bei den regelmäßig stattfindenden Treffen ist grundsätzlich immer eine Ärztin* dabei. Oft

werden Gastvorträge gehalten, die ein spezielles Unterthema der Erkrankung oder eine neue Therapieform beleuchten. Die EVA unterstützt und begleitet zusätzlich durch ihr anonymes Forum, in dem auch der Vorstand aktiv ist. Telefonisch und per E-Mail steht die EVA ebenso zur Verfügung. Und: sie ist freiwillig. Alle Beteiligten engagieren sich ehrenamtlich.


Das wünscht sich Michaela

Letztendlich kommt Michaela auf konkrete Wünsche zu sprechen. Ihrer Meinung nach

braucht es mehr Aufklärung in der Schule. Junge Frauen* und Mädchen* pubertieren früher, als noch vor ein paar Jahrzehnten und es liegt in der Verantwortung der Schule sich als einen Ort zu positionieren, an dem auch über unangenehme Themen gesprochen werden kann. Außerdem bräuchte es ausgebauter Angebote und Aufklärung unter Ärzt*innen, damit junge Frauen* nicht mehr auf ihre eigenen Recherchen angewiesen sind, sondern von ihren Hausärzt*innen oder Gynäkolog*innen fachgerecht beraten werden können. Als letztes spricht sich Michaela für mehr Sensibilisierung und Enttabuisierung für das Thema in der Gesellschaft aus. Ein Verständnis von Freund*innen und Familienmitgliedern helfe vielen Betroffenen dabei einen gesunden und schamfreien Umgang mit ihrer Endometriose und ihrem Körper zu finden.


Wer sich die EVA anschauen möchte, kann das auf der Website tun.

 

Carolina Suárez


Carolina Suárez lebt und arbeitet in Wien. Sie studiert Theater- Film- und Medienwissenschaften und möchte nach ihrem Studium vermehrt in die Praxis gehen. Aktuell ist sie sowohl politisch in der Studierendenvertretung, als auch kreativ in ihrem Theaterkollektiv "Phunkenwerk" tätig und sucht gerne Erholung in der Natur, im künstlerischen Bereich, sowie im Lesen und Schreiben.

Carolina ist Feministin und setzt vermehrt auf Themen wie Gleichberechtigung in der Arbeitswelt, Entsexualisierung der Frau* und Enttabuisierung von Körper und Sexualität.



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