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Magdalena Heinzl

Über Erektionsprobleme - Lasst uns drüber sprechen! #Folge66

Text zur Podcast-Folge 66, verfasst von Cleo Libro.


In sexOlogisch-Folge 66 geht es um eines der größten Tabus, mit dem Menschen mit Penis sich je konfrontiert sahen: Der erektilen Dysfunktion. Magdalena spricht mit Julius (39, Instagram: @hassemerjulius), einem Podcasthörer, der sich gemeldet hat, um von seinen eigenen Erfahrungen mit Erektionsstörungen zu erzählen. Denn obwohl das Interesse am Thema, die Forschungslage und der Leidensdruck von Betroffenen groß sind, so richtig heiß und offen diskutiert wird es nirgends. Und das möchten Julius und Magdalena unbedingt ändern!

Probleme in Form von fehlender oder zu gering ausgeprägter Erektion sind Julius in seinem Leben schon des Öfteren begegnet. Dass sein Penis plötzlich nicht so reagierte, wie er das gerne gehabt hätte, habe ihn in diesen Momenten sehr verunsichert, erzählt er. Darüber hinaus wurde auf diese Weise eine anhaltende Angst ausgelöst, jederzeit wieder in diese Situation zu geraten. Dieser hauptsächlich selbstgemachte Druck begünstigte wiederum, dass Julius Penis vor allem dann streikte, wenn er sich gerade besonders verletzlich fühlte – nämlich während der ersten sexuellen Begegnungen mit einer neuen Partnerin.


Sobald Julius sich jedoch mehr an die Intimität mit einem neuen Menschen gewöhnt hatte oder eine stabilere Beziehung einging, verließen ihn die Schwierigkeiten eine Erektion zu bekommen wieder. Daher beschreibt er sein Problem als aktuell „inaktiv“, wobei er nicht ausschließen kann, dass es ihm in Zukunft wieder begegnet.


Was ist eigentlich eine erektile Dysfunktion?


Julius Version der „on-off“ Erektionsstörung, die nur unregelmäßig, plötzlich und nicht beständig über einen Zeitraum von sechs Monaten oder länger auftritt, gilt noch nicht als erektile Dysfunktion im medizinischen Sinne. So wird das Phänomen nämlich offiziell erst bezeichnet, wenn es hartnäckig länger als ein halbes Jahr und in mindestens zwei Drittel der Situationen auftritt, in denen die Person eigentlich gerne eine ausreichende Erektion gehabt hätte. Aber was bedeutet ausreichend? Und kann erst von Erektionsproblemen gesprochen werden, wenn der Penis gar nicht steif wird?


Nein, die erektile Dysfunktion kann unterschiedliche Ausprägungen haben. Das kann von „keine Erektion“ über „kaum erigierter Penis“ bis hin zu „kann sie nicht lange genug halten“ oder „vorzeitige Ejakulation“ reichen. Generell gilt, dass jegliche erektilen Schwierigkeiten, die „zufriedenstellenden Sex“ verhindern, unter den Begriff „Erektionsprobleme“ fallen können. Dass sie dadurch aber auch direkt zu einem medizinischen Problem werden, ist nicht gesagt. Denn auch die Auslöser für Schwierigkeiten mit der "Penis-Performance" sind vielfältig.


Julius vermutet, dass seine Erfahrungen mit Erektionsproblemen vor allem psychische Gründe wie Stress in Form von Aufregung und Erfolgsdruck hatten. Eine beliebte Situation für plötzlich ermattende Penisse – das Überstreifen eines Kondoms – kommt nämlich auch ihm bekannt vor. Da sein Penis vor diesem entscheidenden Moment begeistert mitspielte und er sich in intimen Beziehungen, in denen er sich sicher fühlt, generell eher nicht mit Erektionsproblemen konfrontiert sieht, schließt Julius körperliche Ursachen für sich aus. Er sieht als Hauptursache den Druck, den er sich selbst macht und der sich vornehmlich aus stereotypen Glaubenssätzen über Männlichkeit und damit einhergehenden Erwartungshaltungen speist.


Problematische Glaubenssätze über Männlichkeit und Erregung


Ein Steifer Penis steht (pardon) für Männlichkeit. Er muss „seinen Mann stehen“, sonst ist er ein „Schlappschwanz“. Es gibt wenig Metaphern und bildliche Ausdrücke für die fehlende Leistung eines Mannes, die sprachlich gesehen nicht in einem sexuellen Kontext stehen. Und Leistung wird hier im Dreiklang mit Männlichkeit und natürlich Stärke verstanden. Über eine vermeintliche körperliche Schwäche, die erektile Fehlfunktion, zu sprechen, ist auch deshalb mit einem so starken Tabu behaftet, weil der Zweifel an männlicher Leistungsfähigkeit offenbar an den Grundpfeilern von Männlichkeit selbst rüttelt. Dabei läge auch in Julius Augen die eigentliche Stärke eines Mannes, eines Menschen, eines Charakters darin, Tabus zu brechen, indem man die jeweiligen Themen Stück für Stück von Scham befreit.


Gemeinsam mit einengenden Rollenbildern und Vorstellungen davon, wie Sexualität mit Penis abzulaufen hat, kann dadurch sogar das Konzept des negativ behafteten schlaffen Penis ableget werden. Julius erzählt von einer Sexpartnerin, die es sehr genossen habe, aktiv Oralsex zu beginnen, solange Julius Penis noch nicht steif war. Sie mochte das Gefühl, wie seine Erektion unter ihren Berührungen entstand. Julius hingegen hatte vor dieser Begegnung seinen nicht erigierten Penis völlig entsexualisiert betrachtet.


Ganz allgemein, bemerkt Magdalena, wird nicht deutlich genug zwischen sexueller Erregung und Erektion der Geschlechtsteile unterschieden. Dabei kann Erregung stattfinden, ohne dass dadurch eine Erektion (des Penis und auch der Klitoris übrigens!) ausgelöst wird. Auch andersherum wird eine Erektion fälschlicherweise so eng mit Erregung verbunden, dass es häufig als sexuelle Ablehnung interpretiert wird, wenn man als Partner*in keine Erektion beim Gegenüber hervorrufen kann. Spätestens aber erektile Schwierigkeiten lassen den Unterschied zwischen Erregungsgefühlen und Erektionen für Personen mit Penis spürbar werden. Nämlich genau dann, wenn sie trotz großer Erregung keinen "Ständer" bekommen oder halten können.


Abläufe beim Sex müssen genauso wenig steif sein wie ein Penis!


Sein nicht steif werdender Penis brachte Julius in die Situation, Lösungen finden zu müssen, um trotzdem „zufriedenstellenden Sex“ zu erleben. Also begab er sich auf Wege abseits von Penetration, um seine Lust auszuleben. Im offenen Gespräch mit seinen Sexpartner*innen lernte er, dass er auch „an seiner Erektion scheitern darf“. Die Partner*innen reagierten verständnisvoll, liebevoll und versuchten sogar, ihn zu unterstützen. Diese Begegnung seiner Verletzlichkeit mit Empathie half Julius dabei, sich wieder sicherer und wohler zu fühlen.


Außerdem empfand er die Erkenntnis, dass heißer Sex nicht an einen steifen Penis gekoppelt ist, fast genauso rückversichernd wie einen weiteren Vorteil von ehrlicher Kommunikation: War einmal der Dialog über Unsicherheiten eröffnet, rückten auch seine Partner*innen leichter mit ihren eigenen Sorgen und Wünschen heraus. Eine Situation, die zu größerer Zufriedenheit, gegenseitigem Verständnis und laut Julius auch zu mehr tatsächlicher Intimität führte. Win, win, win!


Wie wir Erektionsprobleme zukünftig angehen können


Für die Zukunft wünscht Julius sich also einen offeneren und enttabuisierenden Diskurs über Erektionsprobleme. Und auch wenn das sicher nicht jede*r direkt öffentlich besprechen möchte, plädiert Julius wenigstens für mehr Mut zum Dialog mit Sexpartner*innen oder Bekannten. Denn anders wird sich das Stigma von der erektilen Dysfunktion niemals lösen. Dabei kann sie ein wichtiges Signal des Körpers sein, der darauf aufmerksam machen möchte, das gerade etwas nicht stimmt.


Denn genauso wie Nebenwirkungen von Medikamenten können auch ernste körperliche Ursachen wie Durchblutungsstörungen, Hormonungleichgewicht und sogar Depressionen einen Auslöser für Erektionsschwierigkeiten darstellen. In jedem Fall empfiehlt es sich immer, die Symptomatik mit medizinischem Fachpersonal zu besprechen und den eigenen Gesundheitszustand checken zu lassen, wenn die Probleme anhaltend auftreten oder sich sogar verschlimmern.


Doch auch ohne medizinische Indikation ruft Magdalena Betroffene dazu auf, Hilfe von Expert*innen in Anspruch zu nehmen. Häufig braucht es nämlich nur wenige Impulse aus einer individuellen Beratung oder einem Workshop, um einen großen Schritt in Richtung Zufriedenheit machen zu können. Ansonsten gilt – auch wenn es nicht immer leicht ist – nimm den Druck raus und probiere zwischendurch mal etwas Neues aus. Der Rest kommt dann meistens ganz von allein.

 

Über Cleo Libro

Im Frühling 2018 kam Cleo zur Welt, als ich mir diesen Namen gab, um zum ersten Mal in einem Podcast über meine offene Beziehung zu sprechen. Mit den Jahren gesellten sich weitere Themen zu meinem regelmäßigen Tabu-Kaffeeklatsch: Weibliche Sexualität, Dating, Masturbation, Konsens und weiteres aus dem Bereich „Lust und Frust einer promisken Frau.“

Seit Januar 2021 existiert mein Blog Cleographie, wo ich meine in Schrift gefassten Gedanken und Erfahrungen zu Non-Monogamy, Zwischenmenschlichkeit und Feminismen veröffentliche. Eine Bauchidee, die stetig zu einem Herzprojekt heranwuchs, weil sie meine Begeisterung für Sprache, Schriftmedien und Sexualität vereint.

Kommunizieren komplettiert mich. Neues lernen fasziniert mich. Schreiben ist mein Versuch etwas von dieser Energie weiterzugeben.

Insta: @cleo.libro


Beschreibe dich in 3 Worten: mitteilsam, mitfühlend, mitreißend


Worin bist du besonders gut: Genießen und mich für etwas begeistern


Was sind deine absoluten Herzensthemen: Alternative Beziehungskonzepte, Kommunikation, Selbstbestimmung und generell alles Zwischenmenschliche oder Sexuelle, das tabuisiert wird.


Welche Kondomsorte wärst du und warum?

Ich wäre ein Kondom von Releaf, weil es super nice riecht/schmeckt, angenehme Haptik und Feuchtigkeit hat und für meine Anwendung ein neuer Baum gepflanzt würde. Außerdem hätte mein Hersteller dann einen guten Humor: Ich sag nur, „Forst pflanzen anstatt fortpflanzen“, hihi.

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