Text zur Podcast-Folge 73, verfasst von Cleo Libro.
Rena Föhr (auf Insta @chicaconciclo) ist freiberufliche Journalistin und Zyklusberaterin und befasst sich leidenschaftlich gerne mit allen Themen rund um den Menstruationszyklus, die Periode oder hormonfreie Schwangerschaftsverhütung. Für Folge #73 war Rena bei sexOlogisch zu Gast, um mit Magdalena darüber zu sprechen, wie Menstruierende zu mehr Zyklusbewusstsein finden können und wie sich der natürliche Hormonrhythmus ihres Körpers auf ihre Lust auswirkt.
Schwangerschaftsverhütung oder ein Kinderwunsch sind die offensichtlichen Schnittstellen zwischen dem Menstruationszyklus und aktiv ausgelebter Paarsexualität. Den eigenen Zyklus zu beobachten und dadurch besser kennenzulernen, kann dabei helfen, ohne den Einsatz von Hormonen zu verhüten oder den besten Zeitpunkt abzupassen, um schwanger zu werden.
Aber der Zyklus beeinflusst auch ganz grundlegend das körperliche Befinden und das Lustempfinden menstruierender Personen. Wie das konkret aussieht, kann natürlich von Mensch zu Mensch und Zyklus zu Zyklus anders sein, aber Rena hat trotzdem ein paar Beispiele im Gepäck, die sie von sich selbst kennt.
Das „Z“ in „Zyklus“ steht für Zervix
Unterschiedliche Zyklusphasen bedingen bei Rena zum Beispiel, dass sie unterschiedlich stark feucht wird. Sie beobachtete bei sich, dass kurz vor Beginn ihrer Periode die Schleimhäute in ihrem Intimbereich generell etwas trockener wirken. Rund um den Eisprung aber bemerkt sie total viel Feuchtigkeit bis fast Nässe in ihrem Höschen. Und das ganz ohne sexuelle Erregung! Wenn die ins Spiel kommt, kann Rena bei sich ebenfalls eine über den Zyklus veränderliche Intensität ihrer vaginalen Lubrikation feststellen (das bedeutet, wie feucht ihre Vagina und Vulva werden, wenn sie Lust auf Sex bekommt).
Dabei stimmte die Menge der Feuchtigkeit gar nicht immer damit überein, wie viel Erregung Rena in diesen Momenten tatsächlich spürte. Selbst, wenn sie gerade sehr erregt war, wurde sie in der Zeit kurz vor ihrer Menstruation nicht so feucht, wie noch in einer sehr ähnlichen Situation, die ca. zu ihrer Ovulation stattfand. Das bedeutet nicht, dass bei Rena etwas falsch läuft, sondern ganz einfach, dass wir – entgegen landläufiger Behauptung – von der Feuchtigkeit einer Vagina gar nicht eins zu eins auf den Stand der Erregung ihres*r Besitzers*in schließen können. Total viele Faktoren auch abseits von Lust und Zyklusphase können vaginale Lubrikation einschränken. Dazu zählen u.a. Stress, zu geringe Flüssigkeitsaufnahme, die Menopause und, und, und…
Aber was genau ist da eigentlich so feucht und wie hängt das mit dem Zyklus zusammen? Das maßgeblich zyklusabhängige Sekret ist der Zervixschleim. Dieser entsteht im Gebärmutterhals und verändert sich unter dem Einfluss der steigenden und fallenden Konzentration der Hormone Östrogen und Progesteron. Steht der Eisprung ins Haus, ist die Menge von Zervixschleim stark erhöht und auch die Konsistenz ist merklich anders. Sie ist viel flüssiger und „spinnbar“, was bedeutet, dass man den Zervixschleim zwischen Daumen und Zeigefinger zu einem kleinen Faden ziehen kann. Der Zervixschleim hat gar nichts mit dem Stand der sexuellen Erregung zu tun, aber verursacht trotzdem ein sehr feuchtes Milieu in der Vagina.
Versteckt nicht eure Schlüpfer, checkt eure Schlüpfer!
Die vaginale Lubrikation hingegen entsteht nicht im Gebärmutterhals, sondern in den Wänden der Vagina z.B. bei sexueller Erregung und kann bei hoher Östrogenkonzentration schneller und stärker auftreten. Dadurch ist auch sie zum ungefähren Zeitpunkt der Ovulation deutlicher wahrnehmbar. Ein drittes Sekret in diesem Bunde ist der Ausfluss. Auch Ausfluss kommt in unterschiedlicher Farbe und Konsistenz vor, die – Überraschung – ebenfalls durch den Menstruationszyklus beeinflusst werden.
Generell ist Ausfluss eine ganz normale, reinigende Körperfunktion und nichts, wofür man sich schämen muss. Obwohl er ein Zeichen einer gesunden Vaginalflora ist, sind vielen Menschen die kleinen Flecken in der Unterhose unangenehm. Dabei muss das überhaupt nicht sein, ganz im Gegenteil. Denn durch deutliche Veränderung in Farbe und Geruch kann Ausfluss anzeigen, wenn möglicherweise eine vaginale Infektion vorliegt. Das ist super wichtig, weshalb dieses Körpersignal auf keinen Fall aus Scham oder falschem Ekel ignoriert werden sollte!
Hormone und Psyche – a match made in heaven?!
Doch das betraf alles erst den Bereich der körperlichen Reaktionen. Dabei kann auch der psychische Aspekt des Lustempfindens durch den Hormonzyklus beeinflusst werden. Die Ergebnisse einiger Studien deuten darauf hin, dass viele Personen, die einen Zyklus haben, in den prämenstruellen Tagen am wenigsten Lust auf Sex haben. Im Vergleich zu anderen Zeitpunkten im Menstruationszyklus, wie z.B. kurz vor dem Eisprung, wo die Geilheit bei vielen Leuten ihren Höhepunkt erreicht.
Je nach Hormonspiegel können sogar die individuellen Vorlieben variieren. Es kann sein, dass man über den Verlauf des Zyklus auf unterschiedliche Typen von Menschen positiv reagiert bzw. sie zu manchen Zeitpunkten sehr attraktiv findet und zu anderen viel uninteressanter.
Hohe Konzentrationen vom Östrogen (und auch Testosteron!) verursachen gute Stimmung, positive Eigenwahrnehmung und bei manchen Leuten auch ein intensiveres Spüren des eigenen Sexdrives. Im Gegenzug bringt ein hoher Progesteronspiegel die betreffende Person dazu, eher gemütlich oder zurückgezogener sein zu wollen. Eventuell kommen dann noch körperliche Empfindungen wie Müdigkeit oder Erschöpfung hinzu, die häufig Gründe für Lustlosigkeit darstellen.
Rein biologisch betrachtet, sollte uns das auch gar nicht überraschen. Denn wenn zum aktuellen Zykluszeitpunkt keine Schwangerschaft entstehen kann, ist es im Sinne der Fortpflanzung auch nicht förderlich, besonders viel Energie in Lust und Sex zu stecken. Partner*innen ohne Menstruationszyklus müssen das respektieren und sollten lernen diesen körperlichen Rhythmus nachzuvollziehen. Denn Lustlosigkeit muss kein Zeichen von mangelnder Beziehungsqualität sein, sondern kann hormonelle Gründe haben und für erholsame Auszeiten sorgen.
Lust ist immer kontextabhängig – Der Zyklus ist ein Kontext von vielen
Aktive Zyklusbeobachtung kann dabei helfen, den eigenen Körper besser zu verstehen und bringt dir jede Menge über dich selbst bei. Klingt gut oder? Aber wie macht man das genau? Rena hat ein paar praktische Tipps:
Versuch doch mal täglich deinen Zervixschleim zu untersuchen. Das ist eine einfache Methode, die nicht viel Zeit kostet und dir trotzdem schon viel darüber sagen kann, was aktuell in dir los ist. Wichtig ist aber trotzdem, dass du dir Zeit gibst. Nur einen Durchlauf des Menstruationszyklus zu beobachten, reicht wahrscheinlich noch nicht aus, um ein genaueres Verständnis für deinen Körper zu entwickeln. Denn die Veränderungen, die der Hormonzyklus auslöst, bleiben nicht unbedingt in jedem Zyklus gleich oder ähnlich stark wahrnehmbar. Vor allem bei Unregelmäßigkeiten im Zyklus braucht es meistens mehr Zeit, um tatsächlich wiederkehrende persönliche Muster zu erkennen.
Auch wenn es dich vielleicht ein bisschen Überwindung kostet, beginn mal mit dem Zervixschleim-Test. Am besten fährst du morgens nach dem Aufwachen und vor dem ersten Gang zur Toilette einmal mit dem Finger oder einem gefalteten Stück Toilettenpapier zwischen deinen Vulvalippen entlang. Wie fühlt sich das an? Eher rutschig oder trockener? Wie sieht das Sekret aus, das dabei zum Vorschein kommt? Und welche Veränderungen in Menge und Konsistenz lassen sich von Tag zu Tag feststellen?
Wenn du dich noch nicht bereit für den Zervixschleim-Test fühlst, empfiehlt Rena damit zu beginnen, täglich in dich Hineinzuspüren: Wie fühlst du dich heute? Hast du Lust? Wie bist du abseits davon drauf? Fühlst du dich erschöpft oder energetisch? Schreib dir die Antworten auf diese Fragen beispielsweise in einem Zyklustagebuch auf. Dann kannst du sie dir im Nachhinein durchlesen und reflektieren, was im Verlauf deines Zyklus mit dir los ist.
Dein Zyklus als Befindlichkeitskompass
Du siehst schon, Zyklusbeobachtung muss kein aufwendiger Prozess sein. Eine Minute Check-in Zeit am Tag reicht aus, um sich selbst besser kennenzulernen!
Renas Message zum Abschluss in Bezug auf das, was Zyklusbeobachtung uns beibringen kann, ist sehr versöhnlich: Sei freundlich und wohlwollend mit dir selbst!
Du musst deinen Zyklus nicht abfeiern oder einen Kult aus seiner Beobachtung machen, aber du darfst empathisch mit dir selbst sein. Mach dir durch deine Beobachtungen bewusst, wenn du gerade weniger belastbar bist. Bring dann Verständnis für dich selbst auf und gönn dir die Pausen, die du brauchst. Mach dich nicht fertig, denn das ist ganz normal und sehr vielen Menschen geht es ganz genauso wie dir.
Über Cleo Libro
Im Frühling 2018 kam Cleo zur Welt, als ich mir diesen Namen gab, um zum ersten Mal in einem Podcast über meine offene Beziehung zu sprechen. Mit den Jahren gesellten sich weitere Themen zu meinem regelmäßigen Tabu-Kaffeeklatsch: Weibliche Sexualität, Dating, Masturbation, Konsens und weiteres aus dem Bereich „Lust und Frust einer promisken Frau.“
Seit Januar 2021 existiert mein Blog Cleographie, wo ich meine in Schrift gefassten Gedanken und Erfahrungen zu Non-Monogamy, Zwischenmenschlichkeit und Feminismen veröffentliche. Eine Bauchidee, die stetig zu einem Herzprojekt heranwuchs, weil sie meine Begeisterung für Sprache, Schriftmedien und Sexualität vereint.
Kommunizieren komplettiert mich. Neues lernen fasziniert mich. Schreiben ist mein Versuch etwas von dieser Energie weiterzugeben.
Insta: @cleo.libro
Beschreibe dich in 3 Worten: mitteilsam, mitfühlend, mitreißend
Worin bist du besonders gut: Genießen und mich für etwas begeistern
Was sind deine absoluten Herzensthemen: Alternative Beziehungskonzepte, Kommunikation, Selbstbestimmung und generell alles Zwischenmenschliche oder Sexuelle, das tabuisiert wird.
Welche Kondomsorte wärst du und warum?
Ich wäre ein Kondom von Releaf, weil es super nice riecht/schmeckt, angenehme Haptik und Feuchtigkeit hat und für meine Anwendung ein neuer Baum gepflanzt würde. Außerdem hätte mein Hersteller dann einen guten Humor: Ich sag nur, „Forst pflanzen anstatt fortpflanzen“, hihi.
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