Ein Text von Sylvia Terkl
Wenn du das Gefühl hast, dass dich das Thema Kinderwunsch nicht betrifft, dann lass dir gesagt sein: wir alle kommen irgendwann an einen Punkt, wo es darum geht eine klare Entscheidung für ein Leben mit oder ohne Kind(er) zu treffen. In diesem Moment öffnest du den Raum für den Kinderwunsch. Doch die alles entscheidende Frage ist: „Wie wird man denn jetzt überhaupt schwanger?“
Von den Bienchen und Blümchen
Wenn wir von der heterosexuellen Methode ausgehen, dann treffen sich eine biologisch weibliche Person mit Eierstöcken, Eileiter und Gebärmutter mit einer biologisch männlichen Person mit Penis und Hoden. In einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft oder beim Fehlen von Geschlechtsorganen muss eine Komponente künstlich hinzugeführt werden. Im Idealfall ist alles gesund und alles funktional. Nun finden sich Eizelle und Samen – wenn alles gut geht, dann wird das Paar nach 10 Monaten Wartezeit Eltern. Klingt einfach, ist es aber nicht. Dahinter steckt ein höchst komplexer Vorgang, wenn man davon ausgeht, dass die Wahrscheinlichkeit in einem Zyklus schwanger zu werden bei 25% liegt. Schauen wir uns den Freudentanz von Eizelle und Samen nochmal genauer an.
Ein Zyklus beginnt mit dem ersten Tag der Menstruation, an dem die zuvor aufgebaute Schleimhaut in der Gebärmutter abgestoßen wird. Verbildlicht könnte das der Rasen sein, welcher nun abgemäht wird und von Neuem zu wachsen beginnt. Zyklus für Zyklus, Tag für Tag.
Die Eizellen in den Eierstöcken sind so alt wie wir selbst. Milliarden davon sind bereits vor unserer Geburt in den Eierstöcken angelegt, wovon ca. 300.000 ab der Geschlechtsreife für einen vorhandenen Kinderwunsch übrigbleiben. Ungefähr 10-15 Stück unserer Eizellen gehen pro Zyklus in einen Wettkampf. Im besten Fall gewinnt eine dominante ca. 20mm große Eizelle und schiebt sich gekonnt an den Rand des bewohnten Eierstocks. Das Hormon LH (Luteinisierendes Hormon), eines von mehreren Sexualhormonen, steigt und begünstigt damit den Eisprung. Die zarte Haut des Eibläschens springt. Es kommt zur innerlichen Explosion, auch zeitweise als Mittelschmerz spürbar. Die Tube des Eileiters legt sich wie ein schützender Schirm um den Eierstock. Das erste Date steht unmittelbar bevor, wofür ca. 12h Zeit ist. Nicht mehr und nicht weniger. Nach dem Geschlechtsverkehr begeben sich die Spermien auf die große Reise über die Scheide in den linken oder rechten Eileiter in Richtung Eizelle. Ein einziges Spermium trifft auf die eine Eizelle und es kommt zum alles entscheidenden Tanz. Die Eizelle schließt sich und bevor sie zu Blastozysten werden, wandern sie gemeinsam 5 Tage lang bis in die aufgepolsterte, nährstoffreiche Gebärmutter. Sobald der richtige Platz gefunden ist, werden sie sesshaft. Doch wie kommt es dazu, dass manche Paare (sehr) lange Zeit auf eine Befruchtung warten?
6 (mögliche) Gründe für einen unerfüllten Kinderwunsch
Das Wohlbefinden im Allgemeinen sowie die Gesundheit von Körper und Psyche spielen beim Kinderwunsch eine wichtige Rolle. Aus unterschiedlichsten Gründen erlebt eine Frau keine Menstruation, keinen Eisprung oder einen unregelmäßigen Zyklus. Mögliche Gründe dafür sind:
1. PCO-Syndrom (polyzystische Ovar-Syndrom)
2. Hormonstörungen, wie Schilddrüsenproblematik oder ein erhöhter Prolaktinspiegel
3. Untergewicht/Übergewicht
4. Rauchen
5. Endometriose
6. Chlamydien-Infektionen
Im Zusammenhang mit einem (unerfüllten) Kinderwunsch geht es nicht ausschließlich um die weibliche Fruchtbarkeit. In den seltensten Fällen entsteht der Gedanke, dass ein solcher auch mit dem Mann zu tun haben könnte. Doch die Spermienqualität wird subjektiv immer schlechter. Die Gründe hierfür können beispielsweise in den bestehenden Umweltbelastungen liegen. Zudem gibt es Männer, die aufgrund genetischer Ursachen keine Samen haben. Demnach ist die Samenuntersuchung, das Spermiogramm, wichtiger Teil eines Kinderwunschverfahrens.
Doch nicht jeder Person ist es bestimmt Kinder auf die Welt zu bringen. Dafür gibt es die unterschiedlichsten Gründe. Mithilfe einer Kinderwunschklinik kommt es in 50-60% der Fälle zu einer Schwangerschaft, wovon meist 30-40% der Paare mit einem Kind nach Hause gehen (internationale Zahlen). Aus diesem Grund steht Klarheit und Transparenz bei den Kinderwunschverfahren an oberster Stelle.
Welche Stufen durchlebt man beim Kinderwunschverfahren?
Zu Beginn wird in einer Kinderwunschklinik meist ein Erstgespräch mit dem Paar durchgeführt, der sogenannte TÜV des Körpers über Hormonwerte, Eizellenreserve, Eileiterultraschall, Spermiogramm, und vieles mehr. Es gibt mehrere Möglichkeiten in der Kinderwunschbehandlung. Das erste Verfahren ist „Geschlechtsverkehr zum optimalen Zeitpunkt zu haben“, oder besser: das sexuelle Date auf Rezept! Klingt nicht romantisch? Sollte es jedoch! Hierbei kommt es nämlich auf lustvoll gestaltete Rituale rund um den Eisprung der Frau an, sodass der Fokus nicht ausschließlich auf dem Kinderkriegen liegt. Eine zweite Möglichkeit liegt im „Tuning des Spermiums, der Insemination (IUI).“ Aktive Spermien werden höher konzentriert und mit einem dünnen Schlauch schmerzfrei über die Gebärmutter in die Eizelle eingepflanzt. Sozusagen ein Halbmarathon für die Spermien.
Wird nun von der höchsten Stufe im Kinderwunschverfahren gesprochen, dann darf die altbekannte „Künstliche Befruchtung“ genannt werden. In den Eierstöcken der Frau reifen aufgrund einer medikamentösen Hormonstimulation mehrere Eibläschen heran. Mittels einer operativen Punktion unter Kurznarkose werden ausgereifte Eibläschen zielgenau anhand einer speziellen Nadel entnommen. In der Zwischenzeit gibt der Mann parallel dazu die Samenflüssigkeit ab oder die Samenspende wird aufgetaut. Nun gibt es zwei Möglichkeiten innerhalb der Künstlichen Befruchtung: Die In-vitro-Fertilisation (IVF), bei welcher die aufbereiteten Spermien mit den entnommenen Eizellen gemeinsam in ein Reagenzglas kommen. Bei der Intrazellulären Spermieninjektion (ICSI) wird eine fähige Samenzelle ausgesucht und der jeweiligen Eizelle hinzugefügt. Somit steht hier die normale Tanzpartnerwahl den Heiratsvermittlern zur Auswahl.
Nach fünf Tagen – jenen Weg, den eine im besten Fall befruchtete Eizelle brauchen würde, um über die Eileiter in die Gebärmutter zu gelangen – setzt man die Blastozyste mithilfe von Ultraschall an der möglichst richtigen Stelle zurück in die Gebärmutter der Frau ein. Der Embryo muss sich im Anschluss seinen Platz in der Gebärmutter suchen, weshalb es in dieser Phase durchaus noch zu einer Eileiterschwangerschaft, einer fehlenden Schwangerschaft oder zu einem Abort kommen kann. Im Anschluss darf die Romantik individuell nach Belieben mit Sex, Kuscheln, Küssen – oder am besten alles Drei - nachgeholt werden. Das begünstigt die Gebärmutterdurchblutung und setzt Glücksgefühle frei. All jene Dinge, die bei der Einnistung von Vorteil sind und das Glück eines positiven Schwangerschaftstests ein Stück weit näherbringen.
3 Tipps für Kinderwunschpaare
Tipp 1: Wenn ein regelmäßiger Zyklus besteht, darf man sich eine Zeitlang lustvoll und leicht auf den Weg des Kinderwunsches begeben.
Tipp 2: Sollte der Kinderwunsch über einen längeren Zeitraum nicht erfüllt werden, dann ist eine Investition in ein Abklärungsgespräch mit Ärztin*Arzt eines Kinderwunschzentrums wertvoll.
Tipp 3: Im Alltag genügend Räume für ein Sexualleben schaffen, ohne den Fokus auf den Kinderwunsch zu legen.
JA zu einer lustvoll gestalteten Sexualität
Die Zeit vom Kinderwunsch bis zum Eltern sein stellt für viele Paare eine große Belastung dar. Um den Eisprung ist der Leidensdruck am größten – Zyklus für Zyklus steigt die Anspannung, wächst der (Leistungs)druck und sinkt die Lust. Doch genau hier liegt möglicherweise das Geheimrezept: Qualitative Zeit für sich und die Beziehung! Sich als Paar unabhängig vom Eisprung bewusst für kraftvolle Rituale und Nähe im Alltag Zeit nehmen, alle zwei Tage den Raum für Sexualität öffnen, Spontanität zulassen, Kommunikation zelebrieren. Der Weg von der Lust zur Erregung hin zu einer gut durchbluteten Gebärmutter führt zu einer besseren Implantation eines Embryos. Klingt gut? Ist es auch, denn „das Kinderkriegen“ und das Leben rundherum darf Spaß machen!
Kinderwunsch geht uns alle etwas an – ob wir nun Kinder bekommen (wollen) oder nicht! Es ist an der Zeit die Stigmatisierung hinter uns zu lassen, die Tabuisierung zu brechen und vollen Mutes darüber zu sprechen. Ob mit Familie, Freunden oder Expert*innen. Man ist nie mit einem Thema allein. Doch erst wenn wir beginnen aufeinander zu achten und uns das Leben außerhalb des Kinderwunschthemas auf allen Ebenen lustvoll zu gestalten, dann entscheiden wir uns für ein bewusstes JA. Für all das, was ist und noch vor uns liegt. Nach dem Motto: „Der Weg ist das Ziel!“
Sylvia Terkl ist Sexualberaterin i.A., Sexualpädagogin und zert. Beckenbodenkursleiterin und ihre Mission ist es Frauen* rund um die (Lebens)Themen FrauSein, Weiblichkeit, Körperwahrnehmung, Beckenboden und Sexualität zu begleiten. Sowohl im Einzelsetting als auch in Workshops mit Gruppen zeigt sie Wege, um wieder in die naturgemäße, ursprüngliche weibliche Kraft zu gelangen, um sexuell selbstbestimmt, lustvoll und frei den weiblichen Weg zu gehen. In ihrer Praxis schafft sie einen geschützten Raum, in dem sich alle Frauen* in ihrer Ganzheitlichkeit zeigen können - ohne Scham, ohne Wertigkeit, ohne Tabu. Dafür steht GanzHerz!
Zu finden ist sie unter: www.ganz-herz.com, Instagram @ganz.herz, Facebook GANZheitlicher HERZensraum
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