Monopoly – Zwischen Monogamie und alternativen Beziehungsformen
Text zur Podcast-Folge 76, verfasst von Cleo Libro.
Zu Gast bei Magdalena in Folge #76 sind Tom & Isabel vom Blog und Instagram Account @offenerzweier, um – der Titel der Folge verrät es schon – über ihre Erfahrungen mit Liebesalternativen zur Monogamie zu sprechen.
Isabel kennen eifrige Leser*innen vom sexOlogisch Blog übrigens schon besonders gut, denn sie ist seit bald einem Jahr Teil des eifrigen Autor*innen Teams hinter sexOlogisch! Hier teilt sie Texte und Kunstwerke aus eigener Feder genauso gerne wie auf ihrem Blog, den sie gemeinsam mit ihrem Partner Tom führt. Dort berichten und reflektieren die beiden einfühlsam von ihrer offenen Beziehung. Unbedingt auschecken!

Offen lieben heißt offen leben
Von Beginn an gestalteten Isabel und Tom ihre Partnerschaft als offene Beziehung und bezeichneten sie auch schon immer so. Selbst wenn dieser Begriff den Nachteil mit sich bringt, dass es einige weit verbreitete Klischees und Vorurteile zu ihm gibt. Die beiden haben zum Beispiel den Eindruck, dass viele Menschen davon ausgingen, eine offene Beziehung sei immer eine Langzeitbeziehung, die einmal monogam war und irgendwann unfunktional wurde. Sodass die Beteiligten sich dazu entschieden, ihre Beziehung zu öffnen, um vielleicht noch etwas retten zu können.
Spoiler an dieser Stelle: Das ist meistens nicht mit Erfolg gekrönt und war bei Magdalenas Gästen auch gar nicht die Ausgangssituation. Denn sie wollten aufgeschlossen leben, in Bezug auf die eigenen Wünsche offen zu sich selbst und zur Partnerperson sein und durch Aufklärung über ihre Liebesform mit den genannten Vorurteilen aufräumen! Aber diese Art der offenen und ehrlichen Kommunikation mit sich selbst und allen Beteiligten kann auch in monogamen Partnerschaften gelebt werden, denkt Tom. Er sieht sie als vorteilhaft für jegliche zwischenmenschliche Beziehung, aber findet, dass sie in alternativen Beziehungskonzepten noch einmal mehr vorausgesetzt wird.
Herausforderungen im poly Leben
Sich in einer monozentrierten Gesellschaft, das bedeutet, in der Monogamie als die Norm verstanden wird, zu bewegen und akzeptiert zu werden, ist nicht immer ganz einfach, finden Tom und Isabel. Sie begegnen im Dating facettenreichen Reaktionen, die von Neugier bis hin zu deutlicher Ablehnung reichen. Isabels Familie hatte sogar Sorge um sie, dass sie letztlich vereinsamen könnte, weil „ja niemand so leben wollen würde“. Dabei habe sie sich noch nie wirklich wohl gefühlt, in dem „engen Korsett“, das eine monogam gelebte Partnerschaft für sie darstellte.
Trotzdem rechnete das Umfeld der beiden fest damit, dass sie ihre Beziehung wieder „schließen“ würden, als Isabel mit ihrer gemeinsamen Tochter schwanger wurde. Das ist aber nicht passiert. Stattdessen bezogen die beiden zwei getrennte Wohnung auf derselben Etage desselben Hauses und begannen ein herausforderndes aber glückliches Leben als poly Eltern.
Denn laut Isabel geht es ihnen auch gar nicht darum, ständig mit anderen Menschen Dates und Sex zu haben, sondern um Offenheit als generelle Werteinstellung. Eine Lebensart wie „leben und leben lassen“, die die Freiheit lässt, neue Menschen unvoreingenommen und ohne willkürliche Grenzen kennenlernen zu können.
Auch wenn das häufig bedeutet, dass zum ersten Date ein fast obligatorisches Aufklärungsgespräch über Polyamorie gehört, öfter Unverständnis von anderen ausgehalten werden muss oder die Tatsache, dass offenes Dating ein „Kommen und Gehen von Menschen“ bedeuten kann. Menschen, die eigentlich monogame Singles sind und tatsächlich doch eine andere Art der Beziehung suchen. Oder Leute, die poly Personen als Möglichkeiten betrachten, um eigene feste Partner*innen zu betrügen. So artet offenes Dating auch schonmal in spontanen Paartherapiesitzungen aus…
Beziehungen selbst gestalten
Vielleicht ist ein „gesunder Egoismus“ eine gute Voraussetzung, um eine offene Beziehung zu führen, vermutet Isabel. Das kann nämlich hilfreich sein, um sich selbst überhaupt bewusst zu machen, was man eigentlich möchte. Und sich darüber hinaus auch noch zu trauen, das einzufordern, selbst wenn die Wünsche von der Lebensweise der meisten anderen Menschen abweichen. Dabei darf man flexibel auf die eigenen Bedürfnisse reagieren, was bedeutet, dass man sich auch den Wunsch eingestehen darf, eine Beziehung wieder monogam zu gestalten.
Personen, die z.B. mit besonders starken Verlustängsten zu kämpfen haben, ob nur phasenweise oder generell, können durch eine andere Beziehungsform als Monogamie stärker getriggert werden, weshalb sie in einer offenen Beziehung schneller angestrengt sind oder unglücklich werden. Daher gilt, erst wenn eine Beziehung den Bedürfnissen aller Beteiligten entspricht, hat sie das Potential glücklich zu machen. Ganz egal, ob sie monogam gestaltet wird oder nicht, solange die Partnerpersonen sich freiwillig für ihre Form der Beziehung entschieden haben.
„Das Kleid der offenen Beziehung passt mir und steht mir gut!“
Isabel mag die Aufregung und Abwechslung, die die Erlebnisse in ihrer offenen Beziehung mit sich bringen sehr gerne. Auch Tom ist begeistert von der Freiheit, anderen Menschen intensiv und bewusst im Moment begegnen zu können. Einander auf allen Ebenen kennenlernen zu dürfen, auf die beide Lust haben. Das und der ständige Austausch mit Anderen macht für die beiden zwei der größten Vorteile ihrer poly Partnerschaften aus.
Denn sie erzählen sich gerne offen von ihren Begegnungen und nutzen die neuen Perspektiven, die andere Leute ihnen ermöglichen, um daraus auch einen Mehrwert für ihre Paarbeziehung zu gewinnen.
Außerdem findet Isabel, dass die Erzählungen über Toms und ihre Treffen mit anderen Menschen, die Leidenschaft auch zwischen ihnen neu entfachen können. Sie mag es, bei Toms Dates mitzueifern und daran zu wachsen, wenn er Personen trifft, die auch sie inspirierend findet. Sie fühlt sich dann besonders motiviert, ihre eigenen tollen Eigenschaften stärker hervorzuheben, sodass Tom und sie selbst lebendig spüren, was sie aneinander haben.
Tom empfindet in Bezug auf Isabels andere Partner*innen eine Mischung aus Euphorie, Neugier und gespannter Aufregung. Trotzdem musste auch er sich erst daran gewöhnen, wie es ist, wenn Isabel zu einem Date geht. Das Paar behauptet nämlich auf keinen Fall, frei von Eifersucht zu sein, weil sich das für beide tatsächlich zu kalt anfühlen würde. Jedoch entwickelte sich auch in dieser Dynamik irgendwann eine Routine und sie fanden sich in die Rolle des*derjenigen ein, der*die am Date-Abend auch einmal „zurücksteckt“. Und ganz ehrlich – wer mag nicht auch mal einen Abend für sich oder vertraut mit der kleinen Tochter verbringen?
Gute Voraussetzungen für eine glückliche (offene) Beziehung
Isabel und Tom sind sich einig, dass sie mit einer glücklichen Gegebenheit gestartet sind: Sie hatten von Beginn ihrer Beziehung an ähnliche Sichtweisen auf viele Aspekte des Lebens und erleben Momente der Eifersucht oder Intimität auf sehr ähnliche Weise. Dass sie beide „Momentmenschen“ sind, hilft ihnen einander besser zu verstehen. Zwar müssen sie genauso kommunizieren, um Kompromisse für ihre Bedürfnisse zu finden, aber vielleicht etwas weniger als andere Paare.
Aber auch die Bedürfnisse weiterer Partnerpersonen sollten in Toms und Isabels Augen nicht vernachlässigt werden, damit alle Beteiligten die Chance bekommen sich wohlzufühlen. Hierzu müssen allerdings auch die Kapazitäten an Zeit und Energie reichen. „Was kann ich selber geben und was braucht der*die andere?“ fragt sich Tom deshalb immer wieder und versucht seine Beziehungen und ihre Grenzen entsprechend zu gestalten. Denn eigentlich ist eine offene Beziehung nicht komplizierter als eine monogame Partnerschaft, in der offen kommuniziert und über die Rahmenbedingungen und Kompromisse gesprochen wird.
Wer sich gerne noch mehr über Toms und Isabels poly Liebe durchlesen möchte oder sich auch für Geschichten über weniger problemlose Erfahrungen zu zweit und mit anderen interessiert, der*die sollte auf offenerzweier.de vorbeischauen. Und wer mag, kann gerne eine nette Nachricht für die beiden hinterlassen, sie sind immer offen für Austausch und freuen sich über Feedback!
Über Cleo Libro

Im Frühling 2018 kam Cleo zur Welt, als ich mir diesen Namen gab, um zum ersten Mal in einem Podcast über meine offene Beziehung zu sprechen. Mit den Jahren gesellten sich weitere Themen zu meinem regelmäßigen Tabu-Kaffeeklatsch: Weibliche Sexualität, Dating, Masturbation, Konsens und weiteres aus dem Bereich „Lust und Frust einer promisken Frau.“
Seit Januar 2021 existiert mein Blog Cleographie, wo ich meine in Schrift gefassten Gedanken und Erfahrungen zu Non-Monogamy, Zwischenmenschlichkeit und Feminismen veröffentliche. Eine Bauchidee, die stetig zu einem Herzprojekt heranwuchs, weil sie meine Begeisterung für Sprache, Schriftmedien und Sexualität vereint.
Kommunizieren komplettiert mich. Neues lernen fasziniert mich. Schreiben ist mein Versuch etwas von dieser Energie weiterzugeben.
Insta: @cleo.libro
Beschreibe dich in 3 Worten: mitteilsam, mitfühlend, mitreißend
Worin bist du besonders gut: Genießen und mich für etwas begeistern
Was sind deine absoluten Herzensthemen: Alternative Beziehungskonzepte, Kommunikation, Selbstbestimmung und generell alles Zwischenmenschliche oder Sexuelle, das tabuisiert wird.
Welche Kondomsorte wärst du und warum?
Ich wäre ein Kondom von Releaf, weil es super nice riecht/schmeckt, angenehme Haptik und Feuchtigkeit hat und für meine Anwendung ein neuer Baum gepflanzt würde. Außerdem hätte mein Hersteller dann einen guten Humor: Ich sag nur, „Forst pflanzen anstatt fortpflanzen“, hihi.